Weshalb haben Sie diesen Workshop speziell im Rahmen des Netzwerkanlasses des Engineers' Day organisiert?
Massnahmen zur Cybersicherheit sind in einer Branche nur erfolgreich, wenn sie im Verbund aller von einem Angriff möglicherweise Betroffenen getragen werden. Durch das Zusammentreffen von kompetenten Personen mit den unterschiedlichsten Erfahrungen und beruflichen Hintergründen, liefert dieser Netzwerkanlass eine ideale Basis für den Austausch und die Sensibilisierung zum Thema.
Wie passt das Thema Cybersicherheit und der präventive Schutz kritischer Infrastruktur in den Kontext des Engineers' Day?
Nach der Definition des Bundesamts für Bevölkerungsschutz BABS werden unter kritischen Infrastrukturen sowohl Dienstleistungs- wie auch Versorgungssysteme verstanden, die essenziell für die Wirtschaft bzw. die Lebensgrundlagen der Bevölkerung sind. Diese Systeme werden erst durch Engineerings-Aktivitäten wie planen, entwerfen und bauen zum Leben erweckt. Sie werden aber zur Makulatur, also zur wertlosen Ware, wenn sie mit Cyberangriffen ausser Betrieb gesetzt werden können. Deshalb empfehle ich, Überlegungen zur Cybersicherheit von Anfang an mitzudenken. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von «Cybersecurity by Design».
Welche Synergien sehen Sie zwischen der Ingenieursbranche und den Herausforderungen der Cybersicherheit in der Lebensmittelproduktion und -verteilung?
Das BABS hat ein Inventar der kritischen Infrastrukturen erstellt. Einer der 9 Sektoren ist der Bereich «Nahrung», der wiederum in die Teilsektoren «Lebensmittelversorgung» und «Wasserversorgung» unterteilt ist. Bei der Lebensmittelversorgung werden unter anderem die Prozesse «Produktion von Lebensmitteln» und «Logistik und Verteilung» von zentraler Bedeutung für die Leistungserbringung betrachtet. Und Hand aufs Herz: Wer sorgt für diese Synergien, wenn nicht die Ingenieurinnen und Ingenieure?
Fragen zur Zielsetzung des Workshops
Was ist das Hauptziel des Workshops, und welche Botschaft möchten Sie den Teilnehmenden vermitteln?
Der Workshop soll auf spielerische Art für das Thema «Cybersicherheit» sensibilisieren. Er vermittelt die Botschaft, dass Cybersicherheit nicht an den IT- oder Sicherheitsverantwortlichen delegiert werden kann, sondern Chefsache ist. So muss diese Sicherheit in der Unternehmenskultur integriert sein, denn nur so können sich die Mitarbeitenden umsichtig verhalten und zum Schutz vor möglichen Bedrohungen beitragen.
Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem Workshop ansprechen?
Eine eingegrenzte Zielgruppe zu bestimmen, ist beim Thema Cybersicherheit und unserem Workshop kaum zielführend. Da wir heute in einem globalen Dorf leben, wie der kanadische Kommunikationswissenschafter Marshall McLuhan (1911-1980) bereits vor 60 Jahren prophezeit hat, kann sich kaum jemand vom Thema isolieren, und damit auch nicht vom Workshop! Zudem: Wer sensibilisiert ist, wird von denjenigen gefährdet, die es nicht sind: Und die Cyberkriminellen nutzen stets dieses schwächste Glied aus.
Fragen zu gesellschaftlicher Relevanz und Nachhaltigkeit
Welche Rolle spielt der präventive Schutz kritischer Infrastruktur für die nachhaltige und innovative Lebensmittelproduktion?
Regelmässiges Trinken und Essen sind für das Überleben des Menschen essenziell. Eine nachhaltigen und innovativen Lebensmittelproduktion basiert darauf, dass materielle Ressourcen aber auch Informationen kontinuierlich zur Verfügung stehen. Fallen kritische Infrastrukturen wie z.B. Energieversorgung, Verkehr oder Telekommunikation aus, so ist auch die Lebensmittelproduktion betroffen: Man denke an den Unterbruch der Futtermittelverteilung oder der eventuell notwendigen Kühlkette im Wertschöpfungsprozess. Auch Kriminelle agieren aus dem Verborgenen und nutzen heute die modernen digitalen Möglichkeiten. Sie vermeiden ihre eigene Gefährdung, indem sie mit hochgestelltem Kragen vor dem Fabriktor auskundschaften, wann der beste Moment für einen Angriff auf die Lieferkette ist. Präventiver Schutz kostet immer, ein mögliches Ereignis führt aber zu weiterreichenden Schäden.
Wie kann Cybersicherheit als Teil nachhaltiger Ingenieurslösungen zur Bekämpfung von Hunger beitragen?
Gemäss dem spanischen Soziologen Manuel Castells (*1942) hat sich der Mensch einen im Normalfall funktionierenden «Raum der Ströme» geschaffen. Darin kann mit Satellitentechnik der optimale Erntezeitpunkt eines Weizenfeldes oder mittels Sensoren der optimale Zeitpunkt fürs Beenden eines chemischen Prozesses bestimmt werden. Mit der konzentrierten Parallel-Nutzung von dezentralen Supercomputern können neue Produktionsverfahren simuliert und optimiert werden, lange bevor dafür teure, materielle Anlagen gebaut werden müssen. Aber: Werden zum unpassenden Zeitpunkt die dabei verwendeten Informations- und Kommunikationstechnik-Anlagen gestört, auch die der Logistik, können alle Anstrengungen für eine bestmögliche Ressourcen-Ausnutzung in Sekundenbruchteilen umsonst gewesen sein. Cybersicherheitsanstrengungen verhindern zwar nicht mögliche Schadensereignisse, sie verkleinern aber die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert. Es wird immer Gruppierungen geben, die aus dem Hunger auf der Welt Vorteile ableiten und Cyberkriminelle für ihre eventuell auch politisch motivierten Straftaten einsetzen. Mit passenden Massnahmen kann Gegensteuer gegeben werden.
In welchem Umfang planen Sie, das Bewusstsein für diese Themen auch ausserhalb der Ingenieurscommunity zu schärfen?
Der schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA hat vor einem Jahr eine Sensibilisierungsinitiative für die Bau- und Immobilienbranche gestartet. Das am Workshop zur Anwendung kommende Spiel ist eine Komponente und kann mittels Ausarbeitung anderer Szenarien flexibel auf andere Bereiche angewendet werden. Zudem werden weitere Bausteine für eine praxisnahe Umsetzung entwickelt. Es lohnt sich, den SIA-Newsletter zu abonnieren (https://www.sia.ch/de/cms/newsletter) und die SIA-Medien zu verfolgen.
Danke an Urs Wiederkehr für das Engagement für die Ingenieurinnen und Ingenieure sowohl beim SIA als auch beim Engineers' Day!
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